Künstlerische Werkzeuge für Protest in Demokratie und Diktatur
Philipp Sonntag / Netzwerk Zukunft
Es gab eine „Letzte Generation“ der Dinosaurier. Deren Proteste kamen zu spät. Nicht einmal in Filmen von Hollywood konnten sie warnen oder sonstwie eingreifen. Sowieso sind 99 Prozent aller Lebewesen, die es jemals auf Planet Erde gab, ausgestorben, zumeist „sang- und klanglos“.
Gegen den gefährlichen Klimawandel möchten Menschen „etwas tun“. Nun ist „der Mensch“ selber die Ursache des Wandels. Wie kann er da am besten gegen sich selbst protestieren? Machthaber in Demokratie und Diktatur berufen sich jeweils auf ihre Art Rechtsstaat. Die Formen (Lobby, Scharia usw.) geben sich zwar moralisch unterschiedlich, sind aber beide willkürlich und ungerecht – wobei es, unbestreitbar, bei der Brutalität krasse Unterschiede gibt. Aber dort, wo man im eigenen Umfeld von wahrhaft unnötigem Unrecht betroffen ist, sind Sachverhalte objektiv zu beachten, und es gibt Hilfsbücher die total Update sind, wie 2022 von Ronen Steinke: „Vor dem Gesetz sind nicht alle gleich“.
Bei Diktaturen fällt auf, was Protestler alles nicht sagen dürfen, obwohl jeder die wahre Realität sehen kann. Bei Demokratien ist auffällig, was alles ein Protestler, etwa ein Whistleblower klarstellen kann – aber Politik und Bürokratie wehren (fast) alles instinktiv reflexartig ab.
Dabei erzählen Demokratie und Diktatur je ihrer Bevölkerung, dass alles bis in Details so weitergehen könne, wie bisher. Obwohl, so können beide den gefährlichen Klimawandel nicht vermeiden.
Letzte Generation
Die Ende 2022 aktive „Letzte Generation“ protestiert gegen den Klimawandel mit spektakulären Szenen (sich festkleben, Kunstwerke beschmieren usw.). Dabei waren ein paar Schäden und Risiken kaum zu vermeiden. Einige Juristen bezeichneten solche Aktionen als Straftaten und einige Politiker verurteilen solche Täter.
Das ist formell korrekt, aktuell bei Gefährdungen von Menschen auf Straßen und Flugplätzen, ferner bei Sachbeschädigungen von Kunstwerken. Es kann also zu Strafen (Gefängnis, Geldstrafen usw.) kommen. Zugleich werden Präventivmaßnahmen diskutiert.
Das alles ist in unserem Rechtsstaat gesetzlich geregelt und richtig. Folgerichtig wären ab sofort ebenfalls die unmittelbar klimaschädlichen Politiker als Täter zu behandeln. Längst zeigen sich durch Klimaveränderungen existenziell bedrohliche Folgen. Im Vergleich sind die – kafkaesken, durchaus diskutierbaren – Aktionen der Letzten Generation äußerst bescheiden.
Im Rechtsstaat hätte es wenig Sinn, sämtliche „schädlichen Politiker“ zu verhaften. Aber die „moralischen Schreihälse“, welche gegen Gruppen wie „Die Letzte Generation“ rein juristisch-bürokratisch argumentieren, die haben sich als skrupellos und verantwortungslos offenbart. Denn was man in den letzten Jahrzehnten bei den Kalten Kriegern an Einseitigkeit und Polarisierung noch durchgehen ließ, ist im Bereich Klima unmittelbar existenziell gefährlich.
Deshalb sollte die Justiz zumindest jene, die sich moralisch aufplustern, präventiv einsperren. Das dürfte kein Problem sein, denn gerade solche Schreihälse betonen ja gerne als hohe Priorität „Law and Order“.
Vertrauensbildende Maßnahmen
Was kann helfen? Ein modernes Werkzeug für eine aufmerksame globale Gesellschaft sind die „Vertrauensbildenden Maßnahmen“ (VBM). Mit der 43. Generalversammlung der Vereinten Nationen wurde 1967 dieses Konzept als ein gutes Werkzeug für Politiker und Diplomaten etabliert (bezeichnet als CBM: „Confidence Building Measures“). VBM zwischen Staaten erschienen bereits 1975 im Ergebnis der Konferenz über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE).
Sie sind die grundlegende Alternative zur Zerstörung, insbesondere zum Krieg. Sie vermeiden den „Kalten Krieger“ im Menschen.
Hätte China VBM praktiziert, also Hongkong, Tibet und die Uiguren fair behandelt, könnte sich Taiwan ohne Angst und ohne Krieg an Rotchina anschließen. Hätte die damalige Sowjetunion im Warschauer Pakt die anderen Mitgliedstaaten halbwegs gleichberechtigt behandelt (allein schon was gut bezahlte Posten betrifft ...), hätte sie viele Erbitterungen vermeiden können. Mit der Ukraine wäre produktive Kooperation anstatt Krieg naheliegend geworden.
Der tierische Reflex, ein Revier zu verteidigen,
Dieser Reflex wird von Tieren meist zivilisiert gepflegt. Der Mensch steckt in seiner vertrauens-armen Vorstufe von Zivilisation. Daher sind Großgruppen, wie Nationen selbst das gewalt-strotzende Problem. Hingegen tragen Tiergruppen Konflikte etwa so friedlich aus, wie Menschen beim Fußball.
Bei der Staatsgründung von Israel 1948 war aus nachvollziehbaren Gründen jegliches Vertrauen auf einem Tiefpunkt: Sowohl die Araber, als auch die Juden und die ungeschickt „vermittelnden“ europäischen Großmächte hatten zwar durchaus eine Vorstellung, was Gewalt und Krieg kosten, finanziell ebenso wie menschlich. Aber „professionelles Misstrauen“, jegliche Form von „Misstrauen Bildenden Maßnahmen (MBM) ist besonders teuer für alle Beteiligten und es lässt allenfalls vorübergehend eine trügerische „Sicherheit“ zu.
Tatsächlich hatte kaum einer der an den Verhandlungen beteiligten Diplomaten eine Vorstellung, wie Vertrauen sich real konstruktiv auszahlen könnte. Dabei wäre allein schon enorm, was durch etabliertes Vertrauen an daraufhin unnötiger Rüstung vermieden würde. Faszinierend wäre, wie ein modernes Israel vielen arabischen Staaten zu Wohlstand verhelfen könnte, auch wie man den Antisemitismus nach 2.500 Jahren endlich mal gemeinsam beenden könnte, oder wie an der Basis eine gemeinsame Kultur à la Barenboim in all den vielen Orten in Nahost klingen würde.
Stattdessen verlor im Sechstagekrieg 1967 die ägyptische Luftwaffe am Morgen des ersten Kriegstags hundert Piloten sowie über dreihundert teure Flugzeuge durch eine israelische Luftoffensive und war damit für die Zeit des Krieges zerstört.
Aber ein Lehrer musste damals in Ägypten 80 Schüler unterrichten und es gab kaum Lehrmaterial – etliche Kinder mussten auf Feldern für ein paar Pfennige pro Tag Schädlinge sammeln, und aus dreckigen Pfützen Wasser mit Bakterien trinken. Ältere Schüler trieben jüngere mit einer Peitsche an. Daher: Man kann die eigenen
Werte und Schätze durch allzuviel Rüstungskosten selber stärker zerstören, als dies ein Feind in einem Krieg üblicherweise tun würde.
Indem stattdessen VBM aus einer zivilisierten Haltung der Menschen heraus angestrebt würden, wäre kreativ eine Versöhnung möglich. Das gilt global und generell, sogar bis hin zu Schülern; so durfte ich 1955 im Schüleraustausch versuchen, für eine Versöhnung von Franzosen und Deutschen mitzuhelfen; es waren für mich gesellschaftlich aufschlussreiche und zugleich wunderbare Wochen in Südfrankreich.
Bemühungen um Rüstungskontrolle
Aktuell gibt es eine Sackgasse des Vertrauens: Wissenschaftler werden von der Rüstungsindustrie und als Beamte hoch bezahlt, jedoch selten für VBM. Immerhin, der erste offizielle Beauftragte für Abrüstung, Botschafter Citron, kam vor etwa 45 Jahren aus dem Verteidigungsministerium, als „der zuständige Experte“ und ich war misstrauisch: Ein Experte für Aufrüstung als Experte für Abrüstung? Erfreulicherweise hatte mich damals sein fachliches und menschliches Engagement bald überzeugt. Vor allem auf der „Konferenz über Vertrauens- und Sicherheitsbildende Maßnahmen und Abrüstung in Europa“ (KVAE, bis 1983) in Stockholm hatte er einen positiven Einfluss.
Weiter gab und gibt es nach wie vor engagierte Fachleute für Rüstungskontrolle (arms control) mit Erfolgen. Durch sie wurde vermieden, dass sich laufend eine immer größere Anzahl von Staaten mit Atomwaffen aufrüstet. Durch sie wurde mit Diplomatie und Wissenschaft ein gewisses Bewusstsein für die hohen Eskalationsgefahren geschaffen. Siehe hierzu auch Peter Otto und Philipp Sonntag: „Wege in die Informationsgesellschaft - Steuerungsprobleme in Wirtschaft und Politik“; München dtv, 1985, S. 206 - 257, insbesondere Kapitel „6. Entwicklung und Steuerung der Militärelektronik“, mit dem Fazit:
- Hat ein Atomkrieg begonnen – sei es auch „nur“ nach einem im Raum begrenzten Zwischenfall – so wäre es schon rein technisch schwer, eine Ausweitung zu vermeiden.
- Gelänge dies, so würde jedoch viel „militärische Logik“ weitere Eskalations- Maßnahmen nahelegen.
- Und schließlich wäre jeglicher Versuch, die Eskalation politisch zu stoppen, mitten in einem Zerstörungs-Chaos vollends unsicher: Sowohl bei Diktatoren als auch bei einem Bündnis von Demokratien, bei denen die Risiken ganz ungleich verteilt wären.
Die Sehnsucht der Bevölkerung nach Frieden
Nun ist die Menschheit an einer „Zeitenwende“. Ist es möglich, die wachsenden Risiken bei Krieg und Klimawandel aufzuhalten? Gibt es dafür überhaupt konstruktive Vorschläge? Wissenschaftlich ist für die Diagnose alles weitgehend bekannt und politisch wird trotzdem kontrovers diskutiert, was zu tun sei.
Zugleich ist die Sehnsucht der Bevölkerung nach Frieden global stark. Es gibt eine geradezu erbitterte Neigung zu Protesten – gegen „die Schuldigen“. Zugleich möchte niemand auch nur als „mitschuldig“ bezeichnet werden.
Zu dieser Sackgasse gehört, dass moralische Kontroversen, etwa über „Menschenrechte“ fast immer unehrlich (einseitig) sind und unnötig polarisieren.
In China bräuchte man „nur“ Märchen von vor drei- bis fünftausend Jahren nachlesen und ernst nehmen, und sogleich wäre China ein Vorbild für Menschenrechte und Klima. Ich als Wissenschaftler bräuchte doch „nur“ – ja, was denn? Ich habe einiges versucht, und fühle mich doch wie ein stählernes U-boot, das in tausend Metern Ozeantiefe weiter sinkt, nämlich solange ich das Fazit von Ernst Ulrich Weizsäcker 2022 in seinem Buch „SO REICHT DAS NICHT“ anerkennen muss. Wie lange? Die Änderung wäre sofort machbar, aber was kann helfen, sie einzuleiten?
Künstlerische Werkzeuge
In dieser Situation habe ich mich gefragt, was für Proteste global möglich sind. Wer kann ein paar Schritte aus der globalen Sackgasse hinausführen, und wie?
Es gibt zwar seit tausenden Jahren Experten für Modellrechnungen zu „Kriegsspielen“, zu Eskalationsgefahren – aber ausgerechnet einer von diesen Rechenkünstlern, nämlich Kenneth E. Boulding, hat uns bei seiner Rede 1981 in Laxenburg „National Defence Through Stable Peace“ auf Seite 22 sozusagen vor Experten seiner Art (https://iiasa.ac.at/ ) gewarnt:
„... a good deal of the discussion and propaganda about nuclear war is terribly
hopeless. ... it seems to me, that the people who hold the key to this are the
novelists, the playrights, and the television performers. These are the people
who make the world. I hate to tell you this, but it probably is not the model
builders. It is the poets, damn them! The trouble ist, poets are generally so
bad. We can only hope perhaps that our models will inspire better poetry.“
Sollten also Modellschreiber (Programmierer von „Kriegsspielen“, wie ich früher einer war) jetzt mal schauen, wie sie „Poeten inspirieren“ können? Das ist eine Herausforderung, welche im Grunde das Bewusstsein von uns Menschen für sämtliche Gefahren, bis hin zum Alltag betrifft. Vielleicht brauchen wir weniger komplizierte Mathematik und mehr menschliches Entgegenkommen bei den alltäglichen Herausforderungen.
Sowohl bei grundlegenden Ansätzen für das Überleben, als auch bis hin zu Konflikten im Alltag könnten dabei womöglich „künstlerische Werkzeuge“ helfen.
Über Jahrzehntausende hinweg waren und sind dies die Künstler, welche etwas Wissenschaft mitbringen! Sie können das Bewusstsein ganzer Bevölkerungen – mitsamt Politikern – verändern. Eckart von Hirschhausen, 55 Jahre jung, protestiert als Arzt und Kabarettist (Tagesspiegel 6. Dez. 2022, S. 20/21):
„Einen amtierenden Verkehrsminister, der sich mit allen Kräften gegen
geltende Gesetze und das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes wehrt, und
ernsthaft meint, wir hätten nicht genug Schilder, Realsatire. Raserei, fehlende
Abbbiegeassistenten und mangelnde Rettungsgassen bei jedwegem Stau
gefährden sehr viel mehr Menschenleben auf der Straße als Klebstoff.“
Und er rückt Größenordnungen zurecht: „Gegen Viren kann man impfen,
gegen Hitze nicht“.
Haben die Verkehrsminister der letzten Jahre gemäß Strafgesetzbuch § 129 eine „kriminelle Vereinigung“ gebildet? Immerhin, eine „erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit“ geht von ihnen aus. Nun ist deren „Tätigkeit nicht auf die
Begehung von Straftaten“ gerichtet, aber das sagen (fast) alle gesellschaftlichen Schädlinge.
Tatsächlich betont das am 15. Mai 1871 begonnene Strafgesetzbuch die Ordnung des Staates und die Vergeltung gegen Störer des von Kant und Hegel begründeten „Sittengesetzes“. Trotz laufender Ergänzungen und Revidierungen werden sittliche Besserung und demokratische Erziehung von Tätern wohl noch lange nicht zu wirksamen Schwerpunkten des Gesetzes – ähnlich wie bei der Militarisierung im Umgang von Nationen miteinander.
Für Kalte Krieger gilt nicht „im Zweifel für den Angeklagten“, sondern es wird polarisiert. Das Gewohnheitsrecht der Bürokraten dazu nenne ich:
„In irritatione pro institutione“.
Über 50 Jahre lang habe ich solche Sachverhalte mit „tierisch-wissenschaftlichem Ernst“ aufgedeckt und für mein Gefühl viel zu wenig bewegt. Jetzt, etwa 30 Jahre älter als Eckart von Hirschhausen, frage ich mich endlich mal: Was mache ich da – und was mache ich nicht?
Nun sieht mich kaum jemand als Künstler. Trotzdem, als eine Art „wissenschaftlicher Literat“, suche ich nach Werkzeugen für Vertrauen. Ich will, dass Gruppen wie die „Letzte Generation“ straffrei und wirksam Akzente setzen können. Dafür mögen meine „ Künstlerischen Werkzeuge “ die Vorstellungskraft anregen, mit einer Prise schelmischer Freude an der Demokratie; zugleich mit einer wachsenden Bewunderung des Mutes der künstlerischen Aktivisten in Diktaturen.
Zwar weiß ich wenig, aber ich hoffe viel, dass Diktatoren (große als Herrscher von Nationen, auch kleine im Alltag) durch mutige Proteste verunsichert werden, weil sie in ihrer ganzen Absurdität lächerlich gemacht werden können.
Dafür fünf Werkzeuge als Beispiele:
Bundesverflixtkreuz
In unserer modernen Gesellschaft spüren wir reichlich Stress. Es gibt herausragende Verursacher enormer Schäden an Gesellschaft und Ökologie, denen gebührt in Deutschland das Bundesverflixtkreuz, kurz: BUFLIX.
Wir gewöhnen uns nämlich nicht an Willkür aller Art. Wir mögen weder schlechte Produkte, noch mangelhafte Dienstleistungen, öffentliche Skandale oder Umweltverschmutzungen, und wir verabscheuen Gewalt. Die Verleihung eines Bundesverflixtkreuzes an aufschlussreiche Verursacher ist eine moderne DEMO mit öffentlichem Tam-tam.
Die Verleihung soll öffentlich möglichst spektakulär – wie Journalisten dies mögen – inszeniert werden. Damit der Empfänger eines BUFLIX angemessen gequält werden kann, wäre emotional eigentlich eine glatte, satte Straftat vom Verleihungsgremium „angemessen“. Das geschähe dann tatsächlich durch wahre Extremisten einer „Letzten Generation“. Im Rechtsstaat macht sich so etwas jedoch nicht gut.
Als Alternative empfehle ich deshalb eine literarisch immer zulässige Darstellung von Kidnapping, Reizen und Triezen des Empfängers eines BUFLIX. Das bietet reichlich spektakuläre DEMO Möglichkeiten. Um also staatstragische Aktionen frustrierter Staatsanwälte schon im Ansatz zu vermeiden, begnügt man sich mit einer rein literarischen oder schauspielerischen Darstellung. Die darf „auf der Bühne“ rechtsstaatlich durchaus drastisch und deftig sein.
Beispiel: So können Tierquäler mal als Happening auf einem Marktplatz, oder öffentlich in einer Anklage oder literarisch in einer Kurzgeschichte so behandelt und vorgeführt werden, wie sie es ihren Tieren antun. Das kann spektakulärer sein, als sich irgendwo festzukleben Eine theatralische Veranschaulichung bietet:
Gewaltsteuerbescheid
Diesen Bescheid (vom Viehnanzamt) darf jede/r versenden, gegen alle Arten von Gewalt. Insbesondere gegen die übermäßige Betonung von Gewalt in den Medien. Allerdings, mit Satire hat es nichts mehr zu tun, wenn es um ganz reale Taten wie bei Kriminalität, Mord, Folter geht. Dafür ist die Strafjustiz zuständig.
Aber zur Vermeidung von "Gewohnheitsrechten" der Gewalt, etwa durch Horrorfilme, Krimis, Kriegsfilme usw. können Gewaltsteuerbescheide vielfältig beitragen. Wie dringend dies nötig ist, verdeutlich mit grauenhaften Details das aktuelle Heft von iz3w (informationszentrum 3. Welt): „Grauen ohne Grenzen – Horror in Film & Literatur“; Jan./Feb. 2023.
Ich empfehle als Gewaltsteuer einen Euro Strafgebühr für jeden Revolver, den man in einem Film eine Minute lang sehen kann (muss). Das summiert sich dann durch jede Person, welche so einen Film im Kino oder Fernsehen anschaut. Sehen zum Beispiel hundert Zuschauer an einem Tag drei Minuten lang im Kino einen Revolver, so beträgt die Gebühr 3 00.- €. Ist der Film „jugendfrei“, so gilt das Doppelte.
Ein Kriegsfilm kann – und soll – da ohne weiteres ein paar Millionen Euro wöchentlich kosten. Nach oben unbegrenzt sind Bescheide, welche wahre Kriegstreiber empfangen. Vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine ist zu beachten: Ein Gewaltsteuerbescheid zur Kriegsgefahr richtet sich weder gegen die Bundeswehr, noch gegen Fähigkeit und Willen zur Verteidigung. Solidarität mit der Ukraine ist für Europa überlebenswichtig.
Angemessen kann jedoch nur eine Verteidigung sein, welche
- sich auf das Erforderliche beschränkt – im Bereich der Atomwaffen von den neun Atommächten auf das „Minimum Deterrent“; für ein „Deutschland im Rahmen der NATO“ heißt das, vor komplexem Hintergrund verkürzt gesagt: „so konsequent wie irgend möglich alles zu vermeiden, was Deutschland zum Ziel machen kann.“
- dabei zugleich wirksam mit VBM in Richtung einer starken Abrüstung arbeitet!
Insoferne wäre bei dem überfälligen Gewaltsteuerbescheid zur größten Gefahr, nämlich zur Überrüstung, der Kontext mit zu berücksichtigen.
Jeder ist gefordert, den Gewaltsteuerbescheid als Friedenswerkzeug „im eigenen Umfeld“ einzusetzen. Das gilt keineswegs nur für Privatpersonen und Firmen, sondern auch für Aktionen von Behörden, Vereinen, Bürgerinitiativen usw.
Alle können ihre Sachkenntnisse für Chaos-Abwehr, und auch für eine aktive Freude an der Demokratie nutzen; siehe
- Zur Verwendung: https://www.soziologie-mit-kafka.de/gewaltsteuer.html
- Und zur Ergänzung ein paar Anregungen für Schlechtachten: https://www.soziologie-mit-kafka.de/gutachten-schlechtachten.html
Grunztstück
Jedes Kind protestiert gegen „Demokratie“ und Diktatur von Eltern, Lehrern, Internet, „und überhaupt“ wie schon Tucholsky anmerkte. Kein Kind erkennt in der sich rasch ändernden Gesellschaft, was seine Gene erwarten lassen. Mit Wonne nutzen Kinder ein Grunztstück als seelisches Ventil. Es kann zum Beispiel die Erzählung eines Märchens begleiten. Grunztstücke liegen zwischen Pantomime und dem üblichen Theater mit gesprochener Rede. Erwünscht ist viel Ausagieren von Protest mit Grunzen, Stöhnen, Brummen, Summen, Schreien, Japsen, schwerem Atmen, Jaulen, Wimmern, Lachen, Kreischen, allerlei Tierlauten, technischen Geräuschen. Anregungen hierfür sind auf:
https://www.philipp-sonntag.de/alt/Grunztstuecke.pdf
WiDuMi - Wie Du Mir, so ich dir...
Dies ist eine Beziehungssatire für den Alltag. Der Vordruck für ein WiDuMi vereinfacht eine eigene Reaktion auf Herausforderungen aller Art. Das WiDuMi hilft, nachdem man selbst eine emotional wirksame Botschaft erhalten hat – von einem Verursacher, der oft gar nicht mitbekommen hat, was er da bewirkt, sei es nun angenehm oder unangenehm. Hierzu:
- Ein Vordruck von einer Seite zur Verwendung: https://www.philipp-sonntag.de/VordruckzuWiDuMi.pdf
- Und eine Anleitung: https://www.philipp-sonntag.de/WiDuMiAnleitung.pdf
Die Antwort mit einem WiDuMi ist versöhnlich. Eine breite Verwendung, vor allem schon im Umgang mit Kindern, kann für andere Protest-Werkzeuge eine gute Voraussetzung schaffen. Kinderleicht können WiDuMis in Schulen, Vereinen, überall zum Kult werden, zu einem sozialen Werkzeug. Ein Beispiel:
Mein lieber Bruder Max,
was heißt hier, es tut Dir ja auch leid? Du hast den Käfig von meinem
Wellensittich Mario beim Füttern offen gelassen und nun hungert und friert er
im Park, oder er wird gerade von einer Katze gefressen, es macht mich
wahnsinnig! Da hilft auch nicht, dass Mama mir einen neuen Wellensittich
besorgen will. Mama sagt, Du bist im Rüpel-Alter, na toll, aber doch nicht mit
mir! So einfach kommst Du mir nicht davon, ich schreibe Dir ein WiDuMi:
Was Du gemacht hast Kosten zur Wiedergutmachung,
will sagen etwas Trost für mich
Du hast den Mario
wegfliegen lassen, das
ist eine fahrlässige
Quälerei von zwei
Familienmitgliedern – ja
Mario gehörte mit dazu
Du nimmst mich in der ersten
Ferienwoche mit ins Ferienhaus
an der Ostsee – keine Angst, ich
störe Euch nicht beim Knutschen,
ich kann auf dem Feldbett in der
Küche schlafen
Deine allzu mürrische,
wurschtige Reaktion
Drei Mal eine Stunde Tischtennis,
so richtig gutes Training
Das ist ja wohl das Mindeste. Pass’ also in Zukunft besser auf! Deine längst
nicht mehr „kleine“ Schwester
Juliane
Streitpatience mit friedlichen Jokern
1972 nach einem halben Jahr Sabbatical am Harvard Littauer Center sandte ich 27 Pakete mit Kriegsspielen in die Heimat. Ich hatte das Glück gehabt, mit Thomas Schelling (wegen unserer Eskalationsmodelle) ins Gespräch zu kommen und er schrieb an viele Ausbildungsstätten in den USA, und ich bekam eine Menge Post mit solchen „Spielen“ für die Ausbildung von Soldaten und Politikern, Motto „erst schießen, dann reden“. Das sind hervorragende Werkzeuge für MBM (Misstrauen Bildende Maßnahmen). Als ein paar Jahre später das Forschungsinstitut „in der Heimat“ wegen Emeritierung meines Direktors Carl Friedrich von Weizsäcker geschlossen wurde, musste ich alle Spiele wegwerfen.
Stattdessen entwickelte ich eine Streitpatience, eine Art „Solitaire“, polarisiert für zwei Personen (auch „Schikanöschen“ genannt), mit drei Jokern: Und siehe da, wenn man sich mag hilft man im Spiel einander, anstatt nur auf Vorteile zu lauern. Ich vermute Programmierer haben kein Problem damit, mal dafür Spielregeln zu improvisieren. Als Friedensforscher könnte ich die in meiner Praxis bewährten Spielregeln notieren, ihre Anwendung testen und ins Internet stellen, sobald mal hundert Interessenten, oder eine Software-Firma für Spiele, dies wünschen.
Kombination der Werkzeuge
Die Werkzeuge können miteinander verbunden werden. So beginnt auf
https://www.edel-terroristen.de/bundesverflixtkreuz.html
nach ein paar Zeilen eine Geschichte, die sich (beim Vorlesen, oder besser noch bei einer theatralischen DEMO in der Öffentlichkeit) gut von einem Grunztstück begleiten lässt, nämlich:
„Das Bundesverflixtkreuz“ (Kurzfassung)
von Philipp Sonntag
„Als das Tor sich bewegte, ...“
So eine Kombination vermeidet jegliches Begehen einer Straftat. Sie kann plausibler und einprägsamer wirken, als jegliches reale „sich Festkleben“. Sie kann sogar ein „sich Festkleben“, ein „Anschmieren“ usw. anschaulich darstellen.
Der wissenschaftlich fundierte Literat
Künstlerische Anklagen aus einfühlsamem, menschlich wertvollem Gefühl heraus gibt es schier unbegrenzt in breit gefächerter Phantasie: In drastischer Malerei, befeuernder Liedern, bis hin zu gespenstigen Opferritualen. Dies soll die gewohnten Formen von Protesten erweitern. Gegen den Krieg gibt es bereits das:
War Resisters‘ International (Hg.): „Handbuch für gewaltfreie Kampagnen“,
Verlag Graswurzelrevolution, Heidelberg, (2017), 253 Seiten.
„Seriöse Wissenschaft“ als Grundlage schließt grundlegende Veränderungen leider oft ebenso instinktiv wie systematisch aus. Deshalb braucht man einen „kafkaesk“ geschulten Blick, um eine neue, wirksame und in sich harmonische Kombination unterschiedlicher Optionen zu erahnen. Falsch ist die Sackgasse der „chronischen Linderung von Symptomen“, denn sie kann bestenfalls kurzfristig ein paar Lebewesen retten – und verschleudert eine Menge Geld.
Auf jeden Fall kann eine gute Verbindung von Kunst und Wissenschaft grundlegend neue Optionen eröffnen. Wie es gelingen kann, ist bisher für viele Politiker und Manager noch zu unklar, ungewohnt, untrainiert. Da fragt sich – und uns – der Ökonom Paul Krugman, ob er seine Katze dem Elon Musk (Tesla) zur Versorgung anvertrauen würde. Seine Antwort: „Auf keinen Fall“ (NYTI, on December 30, 2022, p. 1 and 11).
Der Mensch hat nicht nur gute, sondern auch festgefahrene schlechte Gewohnheiten, und so können „Gewohnheitsrechte“ im Prinzip jedes andere Recht brechen. Dazu gehört, dass Politiker sich scheuen, ihren Wählern liebgewordene Gewohnheiten wegzunehmen. Locker werden Milliarden Euro ausgegeben, für die Zementierung von Sackgassen. Musterbeispiele sind sämtliche – aufrichtig treuherzige – Bundesverkehrsminister der letzten Jahre, welche Autobahnen „gemäß Bedarf“ enorm ausbauen woll(t)en.
Aber was ist „Bedarf“? Wenn jemand einen weiten Weg von zu Hause bis zum Arbeitsplatz hat, so ist das zunächst sein Bedarf. Den aber kann eine sinnvolle Politik grundlegend verändern und entlasten – zwar nicht sofort, aber doch rechtzeitig.
Wenn man weiß, was zu einer gewissen Stabilität des Klimas verhelfen könnte, so lohnt es, dafür zupackende Maßnahmen zu erwägen – und dafür zu protestieren.
Verkehr als Beispiel für zähe Gewohnheit
Die Regierung fördert eine Ausweitung von Verkehr: Mit geplant neuen Autobahnen, mit gigantischen Mengen von laufend schwereren E-Autos, mit ausufernd teurem öffentlichem Verkehr. Laufend werden enorme Milliarden Euro als Aufwand ausgegeben, für eine
chronische Linderung von Symptomen
beim kargen Ertrag. So kostet eine neue Strecke mit Einsparung von einer Viertelstunde im Fernverkehr der Bahn nahe Stuttgart vier Milliarden Euro, der neue Hbf Stuttgart etwa zehn Milliarden Euro. Potenziell wirkungsvolle Randbedingungen müssten weitaus grundlegender untersucht und berechnet werden, als bisher – erst dann könnte man politisch gezielt entscheiden, was eine verantwortungsbewusste Politik machen sollte.
Optionen:
- Vielseitige Digitalisierung und Automation, verbunden mit weniger Arbeitszeit, bei mehr Arbeit von zu Hause aus. Mehr Kommunikation mit Kindern und Jugendlichen – insbesondere zur Gestaltung von Zukunft.
- Vermeidung unnötiger Ausgaben in allen Bereichen: Dadurch würde passend ein weitgehend bedingungsloses Grundeinkommen finanzierbar, welches den ungesunden Zwang zu ungesunder Arbeit inklusive Verkehrsbelastung mindern kann; dazu gehört ein flexibler Zuverdienst verbunden mit einem fairem Umgang beim Ehrenamt. So etwas ermöglicht weit mehr sozialpädagogisches Engagement als bisher. Christian Felber zeigt (https://christian-felber.at/buecher/die-gemeinwohl-oekonomie/), wie weit das stark beachtete Bruttosozialprodukt von Wohlstand und erst recht von Wohlfahrt entfernt ist. Die Trennung von arm und reich ist auch global drastisch, so konnten 40.000 Fans aus Argentinien nach Katar zur Fußballweltmeisterschaft reisen. Die zu Hause blieben haben kaum weniger gefeiert. Sowieso rechne ich mich selbst als ein Akademiker mit brauchbarem Job und jetzt brauchbarer Rente zu den Reichen – und hätte ich dieselbe Arbeit als Beamter gemacht, hätte ich im Leben doppelt so viel, als Beamter in Brüssel gar dreimal so viel bekommen. Sowas ist in jedem Staat unverantwortlich, solange dort Kinder derart leiden, wie allgemein bekannt. Ein Politiker wie Churchill könnte als ein „Regierender“ nach Brexit jetzt mit einer Art „Kriegswirtschaft“ locker der Bevölkerung eine Beschränkung auf ein Fünftel des heutigen Verkehrs verordnen (und den Übergang fördern) und er könnte die breit geöffnete Schere von arm und reich weitgehend schließen. Verstehen würde „man“ ihn sofort in der Ukraine.
- Die Vermeidung unnötiger Vergünstigungen, allein schon die Steuerersparnis, je länger die Fahrt von zu Hause zur Arbeit, oder von Gütern unterwegs ist. Dies würde längerfristig verändern, wer wo wohnt und was an Transport wirklich sinnvoll ist. Nicht verbilligtes, sondern extra teures Flugbenzin; dadurch mehr Tourismus in Deutschland, und mehr lokale Agrarprodukte. Förderung für so eine grundlegende Umstellung lohnt sich volkswirtschaftlich. Mit dabei wäre Geld für Heizung notfalls nur in einem oder zwei Räumen, so war nach dem letzten Krieg teils nur eine Wohnküche geheizt. Der Krieg in der Ukraine ergibt derzeit viele Hinweise für Zivilschutz im Notfall.
Indem alle (!) Verkehrsminister der letzten Jahre den jeweils momentanen „Bedarf“ der Bevölkerung durch Umfragen ermittelten, und damit in die ruinöse chronische Linderung von Symptomen investierten, sind genau diese „Täter“ mit verantwortlich sowohl für Klimaschäden, als auch für eben diese Haltung einer durch leichtfertige Hinweise verwirrten Bevölkerung – was sich dann in Umfragen zeigt. Demokratie soll etwas anderes sein, als Diktatur durch fake-news.
Wenn im Rechtsstaat einzelne Aktivisten von „Letzte Generation“ zu tausend Euro Strafe verurteilt werden, dann müssten die fahrlässigen Minister – zumindest in künstlerischen Darstellungen – zu je etlichen Milliarden Euro verurteilt werden, in Deutschland mit einem spektakulären BUFLIX. Die Richter, welche versäumen solche Politiker zu verurteilen, haben auch ein BUFLIX verdient.
Dazu mag unser Rechtsstaat zu träge sein. Aber Künstler könn(t)en die anstehenden gesellschaftlichen Entscheidungen veranschaulichen, zum Beispiel mit Hilfe einer Ausstellung oder einer Veranschaulichung im Fernsehen. Wer Beispiele von Unrecht und Willkür sucht, kann zum Beispiel bei Lobby Control / https://www.lobbycontrol.de/ nachfragen. Für spektakuläre Proteste können Künstler und andere Aktivisten vielfältige künstlerische Werkzeuge verwenden und/oder erfinden, wie niemand sonst, und zeigen:
- Sowohl, wie drastische Schäden durch Klimawandel sich auswirken,
- als auch, wie ein starker Eingriff mit grundlegenden Verbesserungen – nach einer ertragbar beschwerlichen Übergangsphase – zu einer gut lebensfähigen Gesellschaft führen kann.