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Utopien mit Kafka

www.philipp-sonntag.de

Es gab mal den „marxistisch geschulten Blick“. Er erlaubte blitzartig, Phänomene wie Entfremdung, Mehrwert, auch „den“ Kapitalismus zu erahnen und eine zukünftige Überwindung zu erhoffen. Wie wäre es jetzt mit einem „kafkaesk geschulten Blick“, um die Potentiale von Utopien zu erkennen?

„Utopie“ steht gemäß Wikipedia für einen Wunschtraum oder

„eine fiktive Gesellschaftsordnung, die nicht an zeitgenössische historisch-kulturelle Rahmenbedingungen gebunden ist. … Im alltäglichen Sprachgebrauch wird Utopie (insb. als Adjektiv utopisch) als Synonym für eine von den vorherrschenden gesellschaftlichen Gruppen überwiegend als schöne, aber unausführbar betrachtete Zukunftsvision benutzt.“

Oft hat die Menschheit versucht, Utopien zu verwirklichen. Da wäre gut, mit einem „kafkaesk geschulten Blick“ potenzielle Gefahren und Erfolge möglichst frühzeitig zu erahnen – und geeignete Utopien zu finden.

Dazu stellt uns Kenneth E. Boulding (National Defense through Stable Peace, Laxenburg, 1983, S. 18) die Frage, wie man überhaupt die globale Gesellschaft sinnvoll planen kann. Er antwortet für uns, wer diese Welt tatsächlich umgestaltet, das seien zumeist nicht die Wissenschaftler, die (wie er selbst …) an ihren Gesellschaftsmodellen basteln: „I hate to tell you this, but it probably is not the model builders. It is the poets, damn them!”

Also selbst Poet werden? Meist ungewohnt. Immerhin, manche an den Problemen verzweifelnde Wissenschaftler versuchen, als „junge Künstler“ konstruktiv zu werden: Nun bin ich gerade 81 Jahre alt geworden und habe „endlich“ eine gewisse Muße gefunden. In meiner essayistischen Rolle als Zeitmaschinennavigator „Phila“ habe ich 15 „Talkshows aus Vergangenheit und Zukunft“ in die Gegenwart geholt und bereitgestellt, siehe auf

www.soziologie-mit-kafka.de

den Bereich „Utopien“ und als Handwerkszeug den Bereich „Glossar“: Ich vermisse Kafka so sehr, da habe ich soziologische Begriffe mit Kafka angereichert.

Als ich 1964-1972 im Team der VDW (Vereinigung Deutscher Wissenschaftler) Eskalationsmodelle zu Atomkriegen programmierte, da bezogen wir weitreichende Folgen in Wirtschaft und Gesellschaft mit ein – ähnliche Folgen, wie sie uns das Corona Virus März 2020 teils erahnen lässt. Uns schauderte, wenn wir im Team überlegten, wie anfällig für Epidemien, und wie hilflos so eine weitgehend zerstörte Gesellschaft von Überlebenden in einem radioaktiv verstrahlten Gebiet sein würde.

Gab es damals zugleich Reaktionen von „Poeten“ auf die existenziellen Risiken? Es gab ein paar Romane, in denen „Das Ende der Menschheit“ dramatisch dargestellt wurde. Diese Schilderungen wurden in der Bevölkerung durchaus wahrgenommen und diskutiert. Wer wurde in Bonn, in der Regierung mehr beachtet, die Romanschriftsteller oder wir Forscher? Schwer zu sagen.

Die Bibel bietet eine breite Palette von überwältigenden Utopien, vom beglückenden Paradies bis zur alles vernichtenden Schlacht des Armageddon. Wichtig ist jeweils wie verantwortlich sich der Mensch verhält. Die Spekulationen sind breit, etwa: wie müsste eine Utopie aussehen, die jetzt nach 2500 Jahren endlich dem Antisemitismus ein Ende bereiten kann?

Das beschäftigte seit 1945 die Überlebenden des Holocaust. Dafür verbindet mein Buch „Forever Alert“ (Verlag Beggerow, 2019), wissenschaftliche und künstlerische Aspekte: Dieses Buch, habe ich jetzt – vollständig als Datei zum Downloaden – auf

www.philipp-sonntag.de/foreveralert

bereit gestellt. Dort erwähne ich „als Künstler“ auf den Seiten 168-179 kafkaeske Utopien. Auf den Seiten 187-224 im Kapitel „10. Future Research Themes“ habe ich notiert, wie „Kalte Krieger noch heiß“ aktiv sind, wie noble „Edel-Terroristen“ Hass verringern können und wie eine „Wiedervereinigung der Religionen zur Religiosität“ gelingen kann. Mit Kafka können wir erahnen, wie tief wir in einer „Vorstufe von Zivilisation“ stecken. Mit ihm können wir untersuchen, wie grundsätzlich das Bewusstsein der Gesellschaft erweitert werden muss, um in Zukunft vermeidbare Katastrophen auch tatsächlich zu vermeiden.

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